Der wütende alte liberale Mann
Ich bin wütend, weil das Wort „Freiheit“ zu einer Floskel geworden ist.
Weil man mir erklären will, was ich zu sagen, zu essen, zu denken habe.
Weil die Regierung immer neue Regeln erfindet, um mich zu schützen – vor Dingen, vor denen ich gar keinen Schutz verlangt habe.
Ich bin wütend, weil Politik sich nicht mehr traut, dem Menschen zu vertrauen.
Man spricht von Mündigkeit, aber behandelt Bürger wie Kinder.
Man ruft nach Vielfalt, aber duldet kaum noch Widerspruch.
Man predigt Eigenverantwortung, aber kontrolliert jede Entscheidung.
Ich bin wütend, weil aus liberaler Politik ein Verwaltungsakt geworden ist.
Weil aus Neugier Moral wurde und aus Mut Angst.
Weil jeder Fehler gleich ein Skandal ist – statt ein Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis.
Ich bin wütend, weil ich weiß, dass es anders ginge.
Ein Staat, der loslässt, könnte stark sein.
Eine Politik, die vertraut, könnte glaubwürdig sein.
Eine Gesellschaft, die den Einzelnen ernst nimmt, könnte frei sein.
Ich bin wütend, ja – aber nicht verbittert.
Denn meine Wut kommt aus Hoffnung: dass der Mensch, wenn man ihn lässt, mehr kann, als jede Regierung sich vorstellen mag.
